"Was du studierst ist fast egal!"

Jessi hatte zum Ende ihrer Schulzeit keinen Plan, was sie machen will. Die Reisepläne ließen sich nicht wie geplant umsetzen – also schnell noch für einen Studienplatz im Herbst bewerben. In ihrer Familie hatte vorher niemand studiert – aber studieren wollte sie auf jeden Fall.

Sie hat sich also eher planlos und recht kurzfristig für völlig unterschiedliche Studiengänge beworben und dann als erstes eine Zusage für Angewandte Informationswissenschaften an der TH Köln bekommen. Genau gecheckt, um was es dabei geht: Hat sie nicht! Ein PC-Freak war sie bis dahin auch nicht – sie konnte die Kiste nur anschalten und die üblichen Programme nutzen.

In der Bewerbungsphase nach dem Studium hat ein ehemaliger Studienkollege sie gefragt: Willst du SEO* werden bei uns?

Sie hatte bis dahin nur über SEO gelesen, hatte aber keinerlei praktische Erfahrung. Und definitiv keine konkrete Absicht, genau das zu ihrem Beruf zu machen.

*SEO heißt übrigens Search Engine Optimization – auf deutsch „Suchmaschinen-Optimierung“. Es geht darum, möglichst weit oben in der Ergebnisliste der Suchmaschinen aufzutauchen.

War das ein Hinderungsgrund, den Job anzunehmen?

Nein, nicht für Jessi! Also hat sie die Chance ergriffen. In der sieben monatigen Trainee-Ausbildung hat sie alles Nötige gelernt, Erfahrungen gemacht, erste Projekte unterstützt. Sehr hilfreich – sagt sie, „weil man nach dem Studium ja tatsächlich noch gar nichts kann“.

Nach anderthalb Jahren wurde ihr SEO dann schon zu langweilig, sie war unterfordert.

„Wir haben niemanden, der sich mit Google Analytics und dem Tag Manager auskennt. Beschäftige dich doch damit mal!“ – das war daraufhin die Aufforderung ihres Chefs, sich in das nächste Thema reinzustürzen. So ist Jessi dann in die Web-Analyse eingestiegen.

Und als sie nach knapp einem Jahr verkündet hat, dass auch dieses Thema zu langweilig geworden ist, bietet ihr Chef ihr an: „Du lernst jetzt KI!“ Sie hat 3 Monate Zeit bekommen, um Python zu lernen und sich in den Themenbereich Machine Learning (ML) einzuarbeiten. Sie hat sich mit Udemy-Kursen fit gemacht und schon nach einem Monat in ersten Kundenprojekten mitgearbeitet – und dabei in der Praxis gelernt. Seitdem arbeitet sie als Data Scientist im Bereich Künstliche Intelligenz. Jessi ist übrigens 28 Jahre alt.

Nun kann man verschiedene Perspektiven zu Jessis Geschichte einnehmen:

Zum Beispiel diese: Naja, sie hatte keinen Plan und immer nur Glück und die richtigen Connections. Und im IT-Bereich gibt es ja auch einfach viele Möglichkeiten und Perspektiven. Aber irgendwann endet so eine Glückssträhne auch mal!

Oder diese: Wow, sie hat offensichtlich total Lust auf Lernen und hat sich immer neuen Herausforderungen gestellt, die dann Entwicklung ermöglicht haben. Vermutlich geht sie weiter so ihren Weg. Sie hat keine Scheu vor neuer Materie und hat sich auf Themen eingelassen, die sie nicht im Detail kannte.

Welche von diesen beiden Sichtweisen ist eher deine? Meine – du ahnst es wahrscheinlich – ist die zweite!

Und ja, ein durchdachter Plan für die eigenen Schritte Richtung Beruf ist meistens hilfreich – aber man scheitert nicht zwangsläufig, wenn man keinen Plan hat.

Jessi – mit der ich in unserem Gespräch richtig viel gelacht habe – sagt: „Das Beste, was man im Studium lernt, ist, an einem Thema dran zu bleiben! Das hat mir geholfen, als ich mir im Job andauernd neues Zeug selbst beibringen musste. Was man genau studiert hat, ist gar nicht so wichtig!“

Was ich an Jessi bemerkt habe – und was aus meiner Sicht ihre Erfolgsfaktoren sind:

Jessi strahlt eine extreme Zuversicht aus!

Jessi hat viel Lust, neue Sachen zu lernen und bringt sich Dinge selbst bei.

Jessi macht sich keine Sorgen, was sie in 5 Jahren macht, sondern hat Vertrauen.

Zusammenfassen kann man diese Aspekte unter dem Begriff Mindset! Und ja, das ist manchmal das, was den Ausschlag gibt. Auch wenn es keinen Plan gibt.

Ich bin übrigens gespannt, was Jessi mir in 10 Jahren erzählen wird!

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